Selbstheilungskräfte – erstmalig(?) in den „Qualitätsmedien“

Wenn etwas mit unserem Körper nicht stimmt, rennen wir zum Arzt. Der verschreibt dann Medikamente oder greift gar zum Messer. Dabei wäre es in vielen Fällen das Beste, einfach zu Hause zu bleiben und abzuwarten, meint Jan Schweitzer.

Zum Autor
  • Eva Häberle

    Nachdem sie ihren Sohn durch ihren Aktionismus auf den Operationstisch gebracht hatten, fassten Jan Schweitzer und seine Frau den Entschluss, ein Buch über die Vorteile des Abwartens zu schreiben. Schweitzer war nach seinem Medizinstudium zunächst als Arzt tätig. Danach absolvierte er die Henri-Nannen-Journalistenschule und arbeitete als Medizinredakteur bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, beim „Stern“ und war von 2007 bis 2013 Chefredakteur von „Zeit Wissen“. Heute ist er Redakteur der „Zeit“ im Ressort Wissen.

Es ist Zeit für eine Revolution! Eine Revolution, die mit wenig Aufwand viel Erfolg beschert. Eine Revolution, die nicht nur der Gesellschaft weiterhilft, sondern vor allem einem: Ihnen ganz persönlich! Es geht nämlich um Ihre Gesundheit. Alles, was Sie im Kampf für das Gute tun müssen, ist: nichts.

Ja, Sie haben richtig gelesen: Sie sollten bei vielen Beschwerden und Krankheiten lieber abwarten und erst mal nicht zum Arzt gehen – ob bei Rückenschmerzen, Erkältung oder Tinnitus. Klingt verrückt? Mag sein, aber so ist das nun mal mit den Revolutionen. Und es gibt gute Gründe dafür, nichts zu unternehmen. Die haben viel mit dem Nutzen und Schaden von medizinischen Verfahren zu tun und mit den Selbstheilungskräften des Körpers. Der kann nämlich vieles ganz alleine regeln, bessern, heilen.

Schmerzen verschwinden von allein

Nehmen wir das Beispiel Kreuzschmerzen. Das kennen viele: Bis zu 85 Prozent der deutschen Bevölkerung leidet mindestens einmal im Leben daran. Man sollte es sich gut überlegen, ob man damit zum Arzt geht, oder ob man nicht besser abwartet. Denn Kreuzschmerzen verschwinden meist innerhalb von ein paar Wochen von ganz allein. Ein Schmerzmittel, ausreichend Bewegung (bloß keine Bettruhe!) und Geduld reichen in vielen Fällen. Etwa 85 Prozent der akuten Rückenschmerzen sind unkompliziert.

Natürlich gibt es Situationen, in denen ein Arztbesuch dringend angeraten ist. Und zwar immer dann, wenn die Beschwerden nicht verschwinden oder sich sogar verschlechtern. Und immer dann, wenn etwas akut auftritt – also plötzlich anfängt und womöglich schnell schlimmer wird. Mit einem Beinbruch oder starken Schmerzen etwa sollte man natürlich zum Doktor. Und generell auch dann, wenn man sich sorgt oder sehr unsicher ist.

Eines sollte man aber wissen: Auch im Sprechzimmer kann man in vielen Situationen erst mal abwarten und beobachten, anstatt sofort mit irgendetwas loszulegen. Denn längst nicht jedes Medikament, nicht jede Spritze, nicht jede Operation hat einen Nutzen. Bei der Hälfte der etwa 3000 Therapien für die wichtigsten Leiden weiß man nicht, ob sie den Patienten nutzen.

Komplikationen statt Heilung

Wenn etwas aber keinen nachgewiesenen Nutzen hat oder die medizinische Notwendigkeit fehlt, dann bleibt einem nur das Risiko für Nebenwirkungen und Komplikationen, die jede medizinische Maßnahme haben kann. Das gilt für die Behandlung genauso wie für das Suchen nach der Ursache.

Nehmen wir wieder das Beispiel Rückenschmerzen: Fertigt der Arzt eine Aufnahme an, um zu schauen, was für die Beschwerden verantwortlich ist, tut er etwas, das er besser gelassen hätte. Zwar ist auf dem Bild dann tatsächlich oft etwas zu erkennen, Abnutzungserscheinungen etwa. Mit dem schmerzenden Kreuz haben diese jedoch meist nichts zu tun.

Ab einem gewissen Alter hat sie fast jeder, schon 20 Prozent der 20-Jährigen laufen damit herum, ohne sie überhaupt zu bemerken. Doch wenn Arzt und Patient schwarz auf weiß etwas sehen, glauben sie, die Ursache für die Schmerzen gefunden zu haben – und natürlich muss dann behandelt werden. Mit einer Spritze in den Rücken etwa. Und die wiederum kann zu Komplikationen führen, ohne dass sie dem Patienten nutzt.

Diese Zusammenhänge sind schon lange bekannt, und die amerikanische Choosing-Wisely-Kampagne empfiehlt deswegen, bei unkomplizierten Kreuzschmerzen in den ersten sechs Wochen kein Röntgenbild anzufertigen. Choosing Wisely ist eine Initiative mehrerer medizinischer Fachgesellschaften in den USA, der es darum geht, Unnötiges, Nutzloses und Schädliches aus der Medizin zu tilgen.

Deswegen sagt Choosing Wisely den Ärzten nicht, was sie tun sollen, sondern was sie nicht tun sollen – sie erstellt Not-to-do-Listen. Aber auch ohne solche Listen müssten Ärzte eigentlich wissen, dass sie viel häufiger einfach mal abwarten und nichts tun sollten.

Öfter mal nichts tun

Doch genau das fällt ihnen schwer, wie man etwa an den mehr als sechs Millionen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen sieht, die Ärzte im Jahr 2015 alleine vom Rücken anfertigen ließen. Diese Zahl hat die Bertelsmann-Stiftung vor Kurzem veröffentlicht. Rückenschmerzen sind dabei nur ein Beispiel, es gibt viele weitere Beschwerden und Krankheiten, bei denen die Ärzte besser abwarten und nichts tun sollten.

Die Gründe dafür sind vielfältig, und es ist sicher nicht nur die Schuld der Mediziner. Auch wir Patienten sind dafür verantwortlich, wir können einfach nicht abwarten – bei Problemen muss man doch etwas tun, gerade wenn es um die Gesundheit geht! Muss man nicht. Sollte man oft sogar nicht. Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie bei der Revolution mitmachen – und öfter mal nichts tun und abwarten.

Quelle: Selbstheilung„Abwarten ist oft die beste Medizin“

Kommentar: Es macht tatsächlich Sinn zu warten oder andere Heilmethoden zu versuchen, denn: Shocking study reveals your doctor is WRONG 88% of the time… second opinions rarely agree with your first diagnosis

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